Nach drei Jahren geht eine Ära zu Ende, jedenfalls für die Mitarbeiter der „Masdascher Flüchtlingshilfe“. Wie schon angekündigt ist die Unterkunft der Flüchtlinge in der Alten Mädchenschule zum Ende des Monats November geschlossen worden. Alle Bewohner sind inzwischen nach Kastellaun verlegt worden. Sie wohnen jetzt verteilt auf drei Quartiere, wobei einer der anerkannten eritreischen Flüchtlinge zusammen mit eritreischen Freunden aus Buch nach Koblenz umgezogen ist. Jetzt lebt nur noch eine eritreische Familie mit ihrem Kind im Dorf. Josef Peil schrieb angesichts des Abschieds von unseren Schützlingen: „Ein bisschen Wehmut beschleicht mich doch dabei, eine Epoche von drei intensiv emotionalen Jahren geht zu Ende, denn nach dem Umzug wird nichts mehr so sein wie bis jetzt. Also gilt es loszulassen.“
Aber die Mitglieder der „Masdascher Flüchtlingshilfe“ sind deswegen nicht arbeitslos geworden. Denn sie kümmern sich nach wie vor um die „Ehemaligen“, und zwar nicht nur um die, die jetzt in Kastellaun wohnen (Abdo, Shishay, Rafi, Awais), sondern auch um viele andere, die hier in Mastershausen gelebt haben: Um den Mustafe, der in Lindau lebt, um den Yahye und die Farah, die mit zwei Kindern in Kreuznach leben, um die Deeqa, die mit Mann Moukhtaar und Kind in Simmern lebt, um den Habtom, der mit Freunden in Koblenz lebt, um die Ayan, die in Hasselbach wohnt, um Anas und Mahmoud, die in Kastellaun leben, und noch um einige weitere Leute, die hier nicht genannt werden.
So wird die Arbeit für die Helfer nicht geringer, dafür aber schwieriger. Es geht jetzt nicht mehr darum, dass hier ein Wasserkocher fehlt, dort eine Winterjacke. Es geht jetzt um aufwendige Begleitungen zum Beispiel beim Übergang in eine Ausbildungsstätte oder um umfangreiche Anträge wie zum Beispiel einen BAföG-Antrag, oder es geht um die Beratung von Mutter und Kind in schwierigen Situationen, um die Beratung einzelner Schützlinge bei finanziellen Schwierigkeiten oder um den Zuzug von Familienangehörigen. Alles schwierige und langwierige Aufgaben. Insgesamt geht es bei all dem um Integration. Und diese Aufgabe bleibt wieder allein an den freiwilligen Helfern hängen.
An Neuigkeiten gibt es aus den letzten beiden Monaten im Einzelnen Folgendes zu berichten:
Der Wunsch und Plan von Mahmoud, dass sein Bruder Mohammad, für den Mahmoud ja die Vormundschaft übernommen hat, zu ihm nach Kastellaun ziehen kann, ist leider immer noch nicht erfüllt. Es gibt ein Fingerhakeln zwischen der Ausländerbehörde in Nordrheinwestfalen und der in Simmern. Das Land Rheinland-Pfalz und der Kreis Simmern reißen sich eben nicht um neue Leute. Ob die Übersiedlung seines Bruders nun überhaupt noch klappen wird, ist fraglich. Es ist zu befürchten, dass die Sache so lange rausgezögert wird, bis der Mohammad im Januar 18 Jahre alt ist. Dann entfällt jeder Grund der Familienzusammenführung.
Für den Shishay suchen wir eine Wohnung in Mastershausen. Shishay sagt ausdrücklich, dass er gerne hier wohnen möchte. Wir haben einen Aushang bei Bertgen und Grohar gemacht, aber darauf haben wir noch keine brauchbare Reaktion erhalten. Der Shishay möchte gerne arbeiten. Aber das Jobcenter hat ihn gerade nochmal verpflichtet, den Integrationskurs zu besuchen. Danach könne er eine Arbeit aufnehmen. Immerhin hat der Frank Liesenfeld ihm angeboten, ihn an freien Tagen (Freitag, Samstag) auf dem Bau zu beschäftigen. Der Shishay könne bei ihm auch eine Lehre machen, aber er müsse dann ja auch die Berufschule besuchen. Und die schaffe er nicht ohne bessere Sprachkenntnisse. Aber die Sprache fällt dem Shishay schwer. Und so muss er vielleicht wirklich mal als Bauhelfer arbeiten. Er braucht Geld, um seine Frau und Tochter im Sudan zu unterstützen.
Der Abdo hat endlich nach zweieinhalb Jahren den so lange erwarteten Bescheid des BAMF bekommen. Darin wird ihm zwar nur „subsidiärer Schutz“ zuerkannt, das heißt, wie inzwischen üblich, Aufenthaltsrecht nur für ein Jahr. Aber der Abdo hat sich über den Bescheid trotzdem sehr gefreut. Er sagt: „Jetzt bin ich Deutscher.“ Er will ja inzwischen Krankenpfleger werden.
Der Moukhtaar und die Deeqa, die ja nach Simmern umgezogen sind, leiden, wie Yahya und Farah in Kreuznach, darunter, dass sie als ledig gelten. Der deutsche Staat hat immer noch keine Möglichkeit geschaffen, um für moslemisch getraute Ehepaare in Deutschland einen Status zu etablieren, der ihrer besonderen Situation angemessen wäre. So müssen sie zum Beispiel doppelte Krankenversicherungsbeiträge entrichten, da eine Familienversicherung für sie nicht in Frage kommt. Oder sie müssen es hinnehmen, in die Steuerklasse 1 eingestuft zu werden, weil sie als „ledig“ gelten. Drei Jahre nach der Ankunft der Flüchtenden in Deutschland ist die Politik und sind die Ämter in dieser Hinsicht keinen Schritt weiter gekommen. Leidtragende sind unsere Schützlinge, die als Ärmste in unserer Gesellschaft nach wie vor unter dieser Diskriminierung zu leiden haben. Denn die Nichtanerkennung einer moslemischen Eheschließung (und in vielen islamischen Ländern gibt es nur diese) ist diskriminierend.
Am dem 18. November fand in der Aula der IGS ein Konzert mit Aeham Ahmad statt. Aeham Ahmad ist ein palästinensisch-syrischer Pianist, der international als „Pianist in den Trümmern“ bekannt wurde durch seine öffentlichen Auftritte im Flüchtlingslager Jarmuk. Inzwischen lebt Ahmad als Flüchtling in Deutschland. Die Masdascher Flüchtlingshilfe“ war mit 7 Flüchtlingen und 5 Helfern präsent. Das Konzert begann mit der Vorgruppe „Mischmasch“ unter Leitung von Christoph Pies. Es war, fanden wir, beeindruckend, was da junge Kurden, Iraner und Syrer musikalisch zu bieten hatten. Nach einer Stunde löste dann Ahmad die Gruppe ab. Er war am Vortag noch in der Oper in Leipzig aufgetreten, jetzt in Kastellaun. Er bot ein sehr gemischtes Programm an: Eigene Stücke, eher Jazz als Klassik, syrische Lieder zum Mitsingen, deutsche Lieder zum Mitsingen (z.B. „Die Gedanken sind frei …“). Vor allem aber äußerte er sich kritisch zu den politischen Zuständen in Syrien. Dabei prangerte er vor allem das Vorgehen von Präsident Assad an. Diese politische Botschaft war es, die ihm offenbar vor allem am Herzen lag. Die Musik erschien nur als Mittler dieser Botschaft.
Inzwischen haben wir den Habtom schon mehrmals in Koblenz besucht. Erstaunlicherweise hat er dort zusammen mit zwei Freunden aus Buch wirklich eine Wohnung gefunden. Und er war alleine beim Jobcenter in Koblenz, er war beim Einwohnermeldeamt in Koblenz, er war bei der Bank und hat dort die Abtretung der Miete geregelt. Es ist unglaublich, dass er und seine Freunde das alles alleine geschafft haben. Der Wermutstropfen bei dem ganzen ist: Die Wohnung liegt in Rübenach, also ziemlich weit draußen. Und: Die Wohnung besteht vor allem aus einem einzigen großen Raum, in dem alle schlafen (+ Küche, + Bad). Vor allem aber: Die Wohnung ist sehr teuer. Sie kostet für jeden der drei Bewohner 307,00 Euro Kaltmiete + Heizkosten in Höhe von 65,00 Euro + Nebenkosten in Höhe von 56,00 Euro + Strom (Abschlag: 30,00 Euro). Das sind insgesamt 1.284,00 Euro monatlich nur für alle drei Bewohner. Aber alle drei sind wohlgelaunt, wobei der Habtom aber Mastershausen auch schon nachzutrauern beginnt.
Nachdem der Anas drei Jahre hier lebt, hat er von der Ausländerbehörde eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis bis April 2020 erhalten. Das ist unser erster Fall dieser Art. Die Angelika beschreibt den Besuch beim Ausländeramt: Der Anas sei
„von seinem äußeren Erscheinungsbild her natürlich wie immer ‚wie aus dem Ei gepellt’“ gewesen. Das habe die Sachbearbeiterin vielleicht beeindruckt. Sie habe den Anas gelobt: „Der Anas hätte ja in drei Jahren ganz viel geschafft und erreicht und er sei ja auf einem guten Weg. So was hätte man selten, und er könne sehr stolz auf sich sein. Sie lobte auch uns ehrenamtliche Helfer, die ihm bis jetzt treu zur Seite stehen. Das hätte man auch selten, das Ehrenamtliche so lange bei der Stange bleiben. Sie sagte, es müsse erkennbar sein, dass er auf einem guten Weg ist, und dass er sich auch mal selbst in Deutschland ernähren könne. Sie lobte das Berufsziel von Anas. Sie würde ihm jetzt eine Verlängerung erteilen bis April 2020. Dann wäre er ja … schon im zweiten Lehrjahr und würde dann schon so viel verdienen, das es mehr sei, als das Geld vom Jobcenter bzw. der Agentur für Arbeit. Um einen unbefristeten Aufenthalt zu bekommen, müsse das verdiente Geld höher sein, als die Bezüge.“ Dann dürfe einem unbefristeten Aufenthalt nichts mehr im Wege stehen. Inzwischen hat der Anas auf seine Bewerbung hin die Zusage der Lebenshilfe bekommen, dort im neuen Jahr seine Ausbildung zum Altenpflegehelfer beginnen zu können. Herzlichen Glückwunsch!
Nachdem der Isaak einen eigenen Reisepass bekommen hat, haben Melat und Yared ihren Plan in die Tat umgesetzt, ihn in Wien taufen zu lassen. Dort wohnt eine eritreische Freundin, die die drei Masdascher eingeladen hat. Yared gehört ja zur eritreisch-orthodoxen Tewahedo Church. Und eine solche Gemeinde gibt es auch in Wien. Und Melat war zwar Mitglied einer Pfingstkirche (Pentekoste) in Eritrea. Ihr Vater ist ja deswegen verfolgt worden, möglicherweise auch ermordet worden, und sie ist deswegen geflohen. Aber sie ist damit einverstanden, dass der Isaak nach orthodoxem Ritus getauft wird. Obwohl die Reise äußerst strapaziös gewesen sein muss, zeigen die Bilder, die sie von der Taufe geschickt haben, sie beide sehr gelöst.
Yared wird nun seinen Hauptschulkurs fortsetzen, der ihm gut gefällt, zumal er Theorie und Praxis umfasst. Er hat dort zum Beispiel auch eine Krar gebaut, ein eritreisches Musikinstrument, das entfernt einer Gitarre ähnelt.
Jahye und Farah leben nach wie vor in Bad Kreuznach und haben leider immer noch keine andere Wohnung gefunden.